Spätestens der Tango-Workshop war der Teil des vierteiligen Hörtrainingkonzepts von Sascha Roder, der mich überzeugt hatte, dieses nicht nur mit unserer Gruppe Deaf Ohr Alive – Rhein-Main und der Selbsthilfegruppe Frankfurt im Cochlear Verband Hessen–Rhein-Main e.V. als Mitveranstalter unterstützen zu wollen, sondern auch persönlich daran teilzunehmen.
Wie Paare sich zum Tango Argentino bewegten fand ich bereits als Kind faszinierend und wollte diesen Tanz bereits vor etlichen Jahren schon erlernen – als „Guthörende“. Inzwischen ertaubt und beidseitig mit Cochlea Implantaten versorgt würde es aber sicher nicht einfacher werden, da es nun nicht nur darum geht, die Füße des Tanzpartners nicht zu erwischen, sondern auch unter den nun erschwerten Bedingungen den Takt der Musik herauszuhören. Diese Gelegenheit wollte ich nicht ungenutzt lassen und fragte meinen (guthörenden) Liebsten, ob er mich nicht begleiten möchte. Begeistert schien er zwar nicht, obwohl er sich genauso gerne tanzend zu Musik bewegt, aber ebenso wenig Tanzkurs- oder Paartanz-erprobt war wie ich, aber er ließ sich zu meinem Glück darauf ein. Auf dem Weg zum zweitägigen Workshop, der am 4. und 5. Mai 2018 in Frankfurt stattfand, waren wir beide sehr gespannt, was uns erwarten würde …
Im Ballettsaal der Oper Frankfurt begrüßten uns Sascha und Danuta mit einem Tangotanz, der nur den Wunsch stärkte, den auch einmal so zu beherrschen zu können. Anschließend führte uns Sascha ein wenig in die Entstehungsgeschichte des Tango Argentinos ein, wobei wir vermutlich alle etwas verwundert darüber waren, dass das für den Tango typische Instrument – das Bandoneon – von einem Deutschen entwickelt worden war.
Unser Tanzlehrer Georg Koch beruhigte uns alle, die Sorge hatten, in einer zu erlernenden festen Tanzschrittfolge Verknotungen in den Beinen in Kauf nehmen zu müssen: Im Tango „gehe“ man miteinander, wobei man natürlicherweise nur vor-, rück- oder seitwärts „gehen“ könne. Das klang zumindest einleuchtend und simpel und machte uns Mut. Wenn man in der klassischen Tango-Haltung „miteinander gehen“ möchte, stehe man im Gegensatz zu anderen klassischen Paartänzen nicht wie in einem „Y“ zueinander, sondern wie in einem Dreieck, da die Körper oben am engsten zueinander und die Füße am weitesten entfernt von denen des Gegenübers stünden. Somit wähnte man seine Füße ein wenig in Sicherheit – zunächst. Wir hörten uns etwas in die Musik ein und der ein oder andere konnte auch mit Cochlea-Implantaten alle Instrumente vom Bandoneon bis hin zu den Violinen heraushören. Manche Klänge schienen vereinzelt aber auch Unbehagen im Musikhören zu verursachen, so dass unser Tanzlehrer die Musikauswahl spontan anpasste und wir uns dem Taktheraushören widmen konnten: EINS, zwei, DREI, (vier). Während ich die Musik als sehr angenehm empfand und ich mir schwertat, zu den Klängen ruhig sitzen zu bleiben, musste ich mir eingestehen, dass ich den Takt leider nicht immer raushören konnte. Somit vertraute ich meinem „Taktgefühl“ und vor allem meinem Gegenüber, denn beim Tango ist man zum Glück ja nicht alleine.
Mit viel Humor und Charme leitete uns Georg Koch sicher durch den Workshop und wir „gingen“ zunehmend sicherer und erfreuter zu den Klängen von Bandoneon & Co.
Wenn es keine feste Schrittfolge gibt, lernt man eben nicht nur auf die Musik, sondern auch darauf zu „hören“ und zu verstehen, wenn der Körper des Gegenübers sagt: „Ich will mit dir (dorthin) gehen!“ beziehungsweise „Ich bin jetzt bereit, mit dir zu gehen!“ Es war somit auch für die teils guthörenden Begleiter*innen eine sehr gewinnbringende „Hörtrainingserfahrung“, die unterstrich, dass gute Kommunikation auch, aber eben nicht nur über die Ohren geht.
Ich bin sehr dankbar, dass ich in diesem für „uns“ zurechtgeschnittenen Workshop zumindest ein wenig das Tangotanzen erleben durfte. Und ich bin mir sicher, dass mein Liebster am Ende auch sehr erfreut war, sich darauf eingelassen zu haben, und wir auch noch die ein oder anderen gemeinsame Schritte zu dieser bewegenden Musik gehen werden, nachdem unser beider Füße die zwei Tage heil überstanden und wir mit Hilfe von Georg Koch etwas von der Magie des Tango Argentinos erlebt haben.
Im August werden wir im nächsten Teil des Hörtrainingkonzepts „Leben mit Klängen – eine Klangwelt voller Leben“ verschiedene Musikinstrumente bewusster zu erleben und besser zu differenzieren lernen, bevor wir uns im letzten Teil gesanglich als Chor erproben werden. Wer sich das Ergebnis unseres Chor-Workshops anhören möchte, ist herzlich eingeladen, uns am Freitag, 12. Oktober 2018, ab 18 Uhr im Gemeindesaal der evangelischen St. Thomasgemeinde Frankfurt zu lauschen.
Fotos: DDP, BO
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